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“Kampf-Adern“

Freitag, 26.7.

Die vorletzte Etappe unserer Tour bekommen wir nicht geschenkt und die komplette Strecke ist eine ganz schöne Quälerei. Dies liegt vor allem daran, dass wir heute beide nicht sehr fit sind. Mir macht seit ein paar Tagen mein Magen-Darm-Trakt Probleme und Martin hat heute Rückenschmerzen. Zudem sind wir letzte Nacht erst spät schlafen gewesen und aufgrund der Hitze recht früh wieder aufgestanden und gestartet.

Wir wandern heute zunächst durchs Lechtal und kommen recht gut voran, da die Strecke relativ eben ist. Zudem ist der Fluss Lech sehr schön anzusehen, da er noch naturbelassen und nicht begradigt ist (zumindest jetzt nicht mehr). Nur die Bremsen machen uns heute zu schaffen und lassen uns keine Ruhe: in Scharen fliegen sie andauernd um uns herum und versuchen, uns zu stechen. Da mein Körper auf deren Stiche recht heftig reagiert, bin ich nicht gerade scharf darauf, zerstochen zu werden. Daher geht schon einige Energie dafür drauf, die Plagegeister mit den Armen wedelnd zu vertreiben.

Als wir ins Schwarzwassertal wechseln, werden die Bremsen zunächst weniger, als wir wieder näher zum Fluss kommen, geht das Ganze von vorne los.

Schritt für Schritt, Meter für Meter kämpfen wir uns heute vorwärts, erst einmal 18 Kilometer, bevor uns zum krönenden Abschluss noch ein Anstieg von über 1000hm zur Bockkarscharte und ein kurzer Abstieg bis zum Prinz-Luitpold-Haus bevorsteht.

Vor dem Anstieg machen wir noch eine Essenspause am Wegesrand beim Schwarzwasserbach und verfallen danach beide in einen Mittagsschlaf – Premiere auf dieser Tour.

Nach ca. einer Stunde wachen wir auf und uns wird wieder bewusst, dass uns der heftige Anstieg noch bevorsteht. Der erneute Start fällt mehr als schwer und die Steigung ist nicht verlockend. Die Scharte ist zwar schon lange ganz weit oben in Sicht, bis dorthin soll es jedoch noch über 3 Stunden dauern. Beim Anblick des Berges scheint dieser heute unüberwindbar. Es ist schon komisch, da wir dies an anderen Tagen locker gemeistert hätten. Nur ist dies eben tagesformabhängig und unsere Tagesform lässt uns heute im Stich. Aber es nützt ja alles nichts und auch solche Tage gehören dazu! In der Mitte des Anstiegs verliert sich plötzlich der Weg und wir müssen uns unseren Eigenen bahnen, querfeldein den Berg hinauf. Zu allem Überfluss beginnt es nun auch noch verstärkt zu regnen. Glücklicherweise sind wir nicht weit von einer Bergwachthütte entfernt und finden Zuflucht auf einer Bank unter dem Vordach, bevor der größte Regen kommt.

So lässt es sich gut aushalten und wir genießen die regnerische Aussicht aus dem Trockenen heraus. Kurze Zeit später gesellt sich noch Miri zu uns, die dem Regen ebenfalls entfliehen wollte. Wir unterhalten uns über unsere Touren und als der Regen aufhört, ziehen wir zu dritt weiter. Wir treffen nach ein paar Minuten auf eine Wegkreuzung, wo wir auf den violetten Weg der Via Alpina treffen, der von nun an dem roten Weg bis Oberstdorf gleicht.

Der Aufstieg zur Bockkarscharte ist steil und führt in fast gerader Linie hinauf über ein Schotterfeld, ab und zu gibt es Tritte und Seilversicherungen. Kurze Zeit später setzt der Regen wieder ein, noch dazu sind Blitze und Gewitter nicht mehr allzu weit entfernt und kündigen sich schon durch lautes Beben an. Daher erhöht sich unser Schritttempo trotz Anstieg noch einmal. Beim nächsten Donnern lösen sich ein paar Steine und rollen quer über das neben uns befindliche Schneefeld nach unten. Zudem gibt es einen Steinschlag an einer Stelle, an der Miri gerade noch vorbeigelaufen ist. Es scheint, als fahren die Alpen heute noch mal alle Geschütze auf, um uns am Ankommen zu hindern.

An der Bockkarscharte sehen wir dann schon die Hütte und uns trennen nur noch 45 Minuten davon. Der Weg bergab ist sehr matschig und wir müssen aufpassen, dass wir nicht ausrutschen. Zu unserem Glück zieht zumindest das Gewitter von uns weg und wir kommen zwar nass aber immerhin unversehrt am Prinz-Luitpold-Haus an, insgesamt waren wir 11 Stunden unterwegs. Die Hütte gleicht eher einem Hotel, insgesamt haben hier 168 Leute Platz. Und wo man auch hinschaut, überall wuseln Menschen herum. Der Essensraum ist riesig und erinnert von der Atmosphäre her eher an das Hofbräuhaus: die Stimmung ist ausgelassen und ich habe das Gefühl, jeder muss seinen Tischnachbarn von der Lautstärke her übertönen. Aber heute ist mir das egal, ich bin froh, angekommen zu sein und diese Monster-Etappe bewältigt zu haben. Martin geht es da nicht anders.

Wir setzen uns nach einer kurzen Verschnaufpause mit Miri an einen Tisch und lassen den letzten Abend auf einer Hütte entspannt ausklingen. Wir erzählen Miri von unseren Erlebnissen auf Tour und es ist schön, das Erlebte auf diese Weise noch einmal Revue passieren zu lassen und zu teilen. Beim Betrachten unserer Fotos stellt Martin übrigens fest, dass seine Wadenmuskulatur nun ganz schön trainiert ist und er richtige Kampf-Adern bekommen hat! 😂

Das Ende ist leider unaufschiebbar und morgen befinden wir uns auf der letzten Etappe. Viel anstrengender als die heutige kann sie eigentlich nicht werden, da es fast ausschließlich bergab geht. Zumindest gilt das für die Kondition, was die Knie dazu sagen, wird sich noch zeigen.

Wunderschöner Blick ins Lechtal

Unser Weg durch das Schwarzwassertal
Querfeldein Richtung Bockkarscharte
Da braut sich was zusammen 😳
Ich flüchte mich bei beginnendem Regen ins Trockene
Via Alpina: rot trifft violett

Die letzten Meter zum Prinz-Luitpold-Haus

Veröffentlicht von Alpen-Schorsch

Ich habe mir dieses Jahr den Traum einer Alpenüberquerung erfüllt. Mein Weg führte mich von Trieste nach Oberstdorf, es handelt sich um den Ostbogen der Via Alpina (roter Weg). Insgesamt war meine Tour in ca. 51 Etappen eingeteilt, mit Puffer und Pausentagen habe ich in etwa zwei Monate eingeplant. Geschlafen wurde auf Hütten, in Pensionen und sofern es das Wetter zuließ, gerne so oft wie möglich unter freiem Himmel. Für weitere Infos zur Tour könnt ihr gerne mal auf der offiziellen Website vorbeischauen: http://www.via-alpina.org/de/page/237/der-rote-weg In einem meiner ersten Beiträge findet ihr zudem eine Übersichtskarte der Alpen, in welcher der rote Weg eingezeichnet ist. Bei weiteren Fragen gerne per Mail melden: georgloesel@gmx.de

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