Dienstag/Mittwoch, 9./10.7.
Von der Chemnitzer Hütte führt unser Weg heute zunächst hinab zum Nevesstausee, wo wir in Ruhe unser Frühstück genießen. Die Wettervorhersage von Roland verhieß für heute noch schlechteres Wetter als gestern. Spätestens als wir am See ankommen, bewahrheitet sich dies aber nicht, da die Sonne scheint und sich die Wolken langsam verziehen. Zur Edelrauthütte laufen wir anschließend 2 Stunden hinauf und queren zum Ende hin wieder etliche Schneefelder. Nach einer Stärkung in einer modernen, erst kürzlich errichteten Hütte, setzen wir unseren Weg fort. Bei den Wirten der beiden zuletzt genannten Hütten haben wir uns nach dem weiteren Wegverlauf erkundigt und uns dazu entschieden, eine Alternativroute zu laufen. Normalerweise würden wir nun ca. 1000m nach Dun absteigen: eine kleine Ortschaft, in der es jedoch inzwischen keine Unterkunft und Verpflegung mehr gibt. Zudem würde gleich danach wieder ein Aufstieg folgen. Stattdessen entscheiden wir uns dafür, über den Pfunderer Höhenweg zum Brenninger Biwak zu wandern. Wir bleiben in etwa auf einer Höhe und morgen führt uns der Weg dann zurück auf die Via Alpina.
Auf der Strecke soll es laut der Hüttenwirtin der Edelrauthütte zwar eine Schlüsselstelle geben, die Schwindelfreiheit verlangt, sie traue uns das aber zu. Also steht der Alternative nichts mehr im Weg und wir folgen dem rot-weissen Kreis des Höhenwegs. Uns war allerdings nicht bewusst, dass der Weg größtenteils über Gesteinsbrocken führt und wir daher mehr Zeit einplanen müssen. Es ist erneut höchste Konzentration und Trittsicherheit gefragt, teilweise bewältigen wir den Weg kletternd.
Der Höhepunkt ist schließlich die Gaisscharte, die wir durchklettern müssen, um auf die andere Seite zu gelangen. Der ca.40m hohe Aufstieg gleicht einem kurzen Klettersteig, die Stelle ist mit Ketten gesichert. Martin nimmt mit seiner Höhenangst allen Mut zusammen und es kostet ihn viel Überwindung, den Aufstieg zu meistern.
Ich klettere voraus und schaue mich immer wieder nach Martin um, der mutig hinterherklettert. Oben angekommen ist ihm die Erleichterung und auch der Stolz anzusehen, diese Grenzerfahrung gemeistert zu haben.
Von Weitem können wir schon das Biwak erkennen, bis dorthin steht uns jedoch noch ein Gesteinsfeld im Weg, für das wir in etwa zwei Stunden benötigen. Unterwegs treffen wir ein paar Wanderer und bringen in Erfahrung, dass wir nicht die Einzigen sein werden, die Richtung Biwak unterwegs sind. Schade eigentlich, auf der anderen Seite haben wir bisher nur nette und interessante Leute getroffen.
Ich erreiche etwas früher als Martin die Biwakhütte, warte aber mit dem Öffnen der Tür, da diese Ehre heute Martin zuteil werden soll. Es erwartet uns eine hübsch eingerichtete, kleine Hütte, die alles Nötige beinhaltet: Schlafplätze für 6 Personen, Ofen, Gaskocher, Teller&Besteck sowie jeder Menge kleiner Einrichtungsdetails. Schlicht und dennoch ausreichend genug während der Tour.
Kurze Zeit nach uns erreichen Matthias und Matthias die Hütte. Beide sind auf dem Pfunderer Höhenweg unterwegs und übernachten heute ebenso hier. M&M haben viel zu viel Proviant dabei, wovon wir letztendlich profitieren: wir werden zunächst zu einer Suppe und später noch zu Nudeln mit Käse und Pesto eingeladen. Anschließend gibt es noch einen warmen Tee. Besser hätte die Verpflegung auf der Hütte auch nicht sein können!
Wir kommen gut ins Gespräch und es wird noch ein schöner Abend.
Da die Sonne schon recht zeitig hinter den Bergen verschwindet und es draußen schnell kühler wird, verschwinden wir recht schnell in unsere Schlafsäcke in der Schutzhütte.
Martin und ich haben uns dazu entschieden, hier morgen einen Pausentag einzulegen. Genug Zeit haben wir, die Umgebung ist einfach zu schön und lädt zum Verweilen ein. Zudem fließt direkt neben der Hütte ein Bach und wir haben somit keinen Wassermangel.
Am nächsten Morgen gibt es noch ein gemeinsames Frühstück mit M&M. Matthias hatte noch 4 Eier in seinem Rucksack, die er zu Spiegeleiern verarbeitet und uns zwei davon anbietet. Das ist sehr nett und doch frage ich mich, wer bitteschön rohe Eier mit auf eine Wanderung nimmt 😅. Wir bieten dafür an, den Abwasch zu übernehmen. Wir verabschieden uns von M&M, die ihre Wanderung fortsetzen in die Richtung, aus der wir gestern gekommen sind.
Wir genießen stattdessen den Tag vor der Hütte in der Sonne, während wir in der Ferne noch die gigantischen Berge der Dolomiten erkennen können. Heute ist den ganzen Tag Sonne vorausgesagt und diese werden wir auch bis zum letzten Strahl genießen.
Mir wird unterdessen bewusst, dass ich nun schon über 5 Wochen unterwegs bin. In dieser Zeit ist schon viel passiert und uns wird hoffentlich noch viel passieren.
Bis ich meine Freundin wiedersehe, ist es allerdings noch einen ganzen Monat hin und trotz der schönen und intensiven Zeit kann ich es kaum erwarten, sie bald wieder in den Armen halten zu können.

Biwak W.Brenninger